Mischarbeit...

Jetzt hab ich mir mit diesem Weblog ein neues Hobby angefangen, das Spass macht, aber auch viel Zeit kostet. Hobby? Es hat ja einen starken Bezug zu meiner Arbeit und auch zu meinem gesellschaftlichem Engangement. Mischarbeit eben.

Als dieser Begriff ("Mischarbeit") vor ein paar Jahren am Wissenschaftszentrum Berlin erfunden wurde, ging es noch mehr um das Nebeneinander verschiedener Tätigkeiten: Erwerbsarbeit im Beruf, Versorgungsarbeit für andere, Gemeinschaftsarbeit für die Gesellschaft und Eigenarbeit für sich selbst. (Quelle: Brandl, Sebastian/Hildebrandt, Eckart (2002): Zukunft der Arbeit und soziale Nachhaltigkeit. Reihe "Soziologie und Ökologie", Band 8. Opladen)

Ist jetzt schon alles Arbeit? Künstler, so sagt man, kennen diesen Unterschied nicht. Beim in der Wiese liegen und mit der Seele baumeln entsteht die Idee für den nächsten Roman, ein neues Bild oder Musikstück. Nicht anders ist es bei guten Wissenschaftlern, ja vermutlich selbst bei einem vielbeschäftigten Steuerberater, dem in einer völlig unerwarteten Situation die Lösung eines schwierigen Problems einfällt. Heureka!

In meinem Leben, beginnen sich die Bereiche selbst immer mehr zu vermischen. Ob mir das gefällt, weiss ich noch nicht so genau.

Und: Was ist überhaupt Arbeit? Am Wochenende habe ich mit meiner kleinen Tochter „gekocht“. Erwachsene würden sagen: „kochen gespielt“. Ist das Arbeit? Für mich? Für sie sicher!

Irgendwelche Freizeit muss es doch noch geben. Musik hören z.B. Obwohl Musik in meinem Leben meist neben anderem Läuft. Neben dem Kochen (Eigen- und Verorgunsarbeit), beim Spielen mit meiner Tochter, manchmal sogar beim "Arbeiten" (im Sinne von eMails oder weblog schreiben).

"Ohne Musik kann ich wirklich nicht leben," sagte einmal Werner Heisenberg in einem Brief an seine Eltern, "aber mit Musik komm ich manchmal auf die absurde Idee, dass das Leben einen Sinn hätte." (hörte ich gestern im Radio - neben einer anderen Tätigkeit)
Xilef - 4. Sep, 08:35

Arbeit? Micharbeit? Mischleben?

Ich bin immer mehr auf dem Weg zur Mischarbeit (zum Begriff Arbeit später). Neben meiner vollen Stelle baue ich eine freie Schule (Sudbury-Schule) mit auf, und fange an, mich als trainer für gewaltfreie Kommunikation zu betätigen. Meine Arbeit als Vater bleibt da etwas liegen... Während ich bei den nebenberuflichen Arbeiten immer mehr dazu gelange, die Sachen nur zu machen, wenn ich sie mit Freude mache, und nicht, weil ich "muss", schaffe ich das in mienem Beruf nicht. Deswegen werde ich wohl in Bälde den Berufsanteil an meiner Arbeit reduzieren.

Arbeit an mir selbst wird mir immer wichtiger und ich gebe dieser Arbeit immer mehr Zeit und Energie - hier sehe ich, dass ich selbst die Schlüssel in der Hand habe, glücklicher zu werden, und auch andere dabei unterstützen kann, glücklicher zu werden. Und gleichzeitig ist das die anstrengendste Arbeit - die, die mich mit Schattenseiten in Verbindung bringt, die ich eigentlich nicht sehen will - die, die mich auch (scheinbar) an den Rand meiner Existenz bringen kann.

Auch, wenn ich andere dabei begleite, ihren eigenen Schmerz zu sehen (zum Beispiel als Trainer für gewaltfreie Kommunikation), dann ist das Arbeit - und gleichzeitig eine große Freude, denn im Sehen des eigenen Schmerzes, des eigenen Schattens liegt schon ein Samen einer neuen Möglichkeit, ganz zu werden. Und jemanden zu begleiten auf einem solchen Weg, ihm auf dem Weg zu helfen und das Vertrauen zu spüren, das die Person in mich hat, sich begleiten und helfen zu lassen, sich zu offenbaren und verletzlich zu machen, ist ein Geschenk, das mich nährt.

Aber kennt jemand eine gute Definition von Arbeit? Eine, die auch solche Bereiche abdeckt?

FritzHinterberger - 14. Sep, 17:01

Was ist Arbeit?

nein, eine Definition hab ich auch bei längerem Nachdenken nicht gefunden ausser eben als taxative Aufzählung:
Erwerbsrabeit - Versorgungsarbeit - Eigenarbeit - Gemeinschaftsarbeit.
Aber: was ist dann NICHT Arbeit.
BeziehungsARBEIT, TrauerARBEIT, das Spielen mit den Kindern: ARBEIT!?

Musse wäre der Gegenbegriff: in der Wiese liegen und mit der Seele baumeln.
Meditieren. Aber ist das nicht schon wieder Eigen-ARBEIT?

Andererseits: warum sollte das Thema "Mischarbeit" mit dem Antritt der Pension/Rente zu Ende sein und einer 100%igen Freizeit durchmischt mit unbezahlter Arbeit weichen? Warum nicht AUCH Erwerbsarbeit bis ins hohe Alter mit allen positiven Begleiterscheinungen: Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und Einkommen für einen angemessenen Konsum?

Mehr Fragen als Antworten...
Aber dennoch Erkenntnis.
its_uli - 15. Sep, 05:55

einen anderen Begriff einführen?

Genau, was ist dann eigentlich *nicht* Arbeit? An diesem Punkt bin ich auch schon oft angelangt.

Und kommt diese Diskussion über die Abgrenzung von Arbeit und Freizeit nicht daher, dass der Begriff "Arbeit" bei uns irgendwie negativ konnotiert ist? Im Sinne von anstrengend, unfreiwillig, verpflichtend, ... Und dieses Mühsal wird dann (in der gängigen Vorstellung) durch Geld / Lohn belohnt.

Vielleicht liegt eine Lösungsmöglichkeit darin, erst einmal einen anderen Begriff einzuführen, um die negative Konnotation zu umgehen. Ich für mich verwende gerne: Tätigkeit, tätig sein - bezahlte und unbezahlte Tätigkeiten - Tätigkeiten für mich und Tätigkeiten für die Familie / das Unternehmen / den Verein / die Gemeinschaft / die Gemeinde / ...

Tätigkeit ist einfach neutraler, nicht so vor-belegt...

Ich habe auch schon einen Widerstand bei dieser neuen Begrifflichkeit entdeckt:

Wenn Du *arbeitest*, dann bist Du wichtig, dann ist das eine wichtige Tätigkeit, da darf man Dich nicht stören. Wenn Du *arbeitest* (in der gängigen Verwendung des Begriffes), dann bringst Du Geld nach Hause.

Mit dem Begriff "Tätigkeit" scheint die Wert-Hierarchie zu verflachen. Die Orientierung ist anfangs schwer. Doch für mich stellt sich heraus: Die Orientierung, die Priorisierung, die Wichtigkeit wird dadurch selbstbestimmt definiert. Ich selbst als Individuum muss und darf entscheiden, welche Tätigkeiten in diesem Lebensabschnitt gerade wichtig sind.

Und ist das nicht ein ganz wichtiges Element in Sachen *glücklich leben*!? :) :) :)
FritzHinterberger - 15. Sep, 06:19

"Tätigkeit" statt "Arbeit"?

ja, guter Vorschlag! Aber, was ist NICHT Arbeit/Tätigkeit? Gibt es ein Leben (stunden-, tage-, wochenweise ganz oder vorwiegend OHNE Tätigkeit/Arbeit bzw.sollte es auch das geben, in einer Welt, die uns locker alle Grundbedürfnisse mit reativ wenig Anstrengung produziert? Oder anders, provokanter gefragt: ist Muße Faulheit und daher abzulehnen?

Was uns noch nicht die Frage beantwortet, warum es die Muße zumindest in meinem Leben praktisch nicht (mehr) gibt. Aber dazu ein andermal.
abono - 4. Sep, 13:51

Freizeit ist...

...ohne Stift und Papier, ohne Notebook und Telefon, ohne Zeitung, ohne Radio- und Fernsehnachrichten, kurz: ohne jede Infrastruktur mit dem Fahrrad durch die Gegend zu fahren, wo zu sitzen, wo zu liegen.

Ansonsten werden ja doch Ideen aufgeschrieben, Nachrichten nach Verwertbarem durchsucht, Zeitungen "durchgearbeitet", aktiv was gelernt... Das ist Arbeit, auch wenn man seinen Spaß dran hat. Man hat immer ein Ziel: Artikel bis zum Ende lesen, einige Notizen machen, Fakten merken, Ideen generieren.

Ich glaube, dass man nur frei hat, wenn man mit einer bestimmten Tätigkeit kein Ziel verfolgt. Siehe Freizeitstress. Freizeit mit Zielen ist Arbeit. Und wenn man die Arbeit dann nicht mag...

Ich persönlich suche mir in der erwerbsarbeitsfreien Zeit eigentlich immer Beschäftigungen mit Ziel aus, Freizeit: Fehlanzeige. Aber da ich meine Beschäftigungen mag, fällt mir das gar nicht auf!

Mein Vorbild ist vielleicht mein Unterbewusstsein. Das arbeitet ja auch fast immer auf Hochtouren und denkt sich nix dabei. Schickt mich im Traum auf extrem schlecht geplante und zugleich sündhaft teure Radwege und hat am Morgen eine neue Idee zu Irgendwas parat. Ist immer aktiv und ausgeruht. Allerdings stellt sich die Frage, ob es auch ein Ziel hat...

Ich gehe jetzt lieber mal wieder meiner Erwerbsarbeit nach, bevor ich noch völlig ins freie Assoziieren gerate und mich überarbeite. ;-)

ruddyconsult - 6. Sep, 11:25

"Submission to impersonal rules in the office and the free play of personality at home"

KollegInnen,

vergibt es mir bitte, wenn ich mich wiederhole. Auch dieses Thema "Mischarbeit" erinnert mich an Keith Hart, den ich schon mal in einem anderen Kommentar zitiert habe.

"The moral economy of capitalist societies is based on an attempt to keep separate impersonal and personal spheres of social life (Hart 2001a, 2005). The establishment of a formal public sphere entailed another based on domestic privacy (Elias 1982). The latter was built up to constitute with the former complementary halves of a single whole. Most people, traditionally men more than women, divide themselves every day between production and consumption, paid and unpaid work, submission to impersonal rules in the office and the free play of personality at home. Money is the means whereby the two sides are brought together," to be found a little more than halfway down this page, http://www.thememorybank.co.uk/publications/uhpchapter

Formality and informality sind eben inhaltsvolle Begriffe. Obwohl es viele Verstoesse gegen den formal economy und gegen die Menschenrechte in sich buergt, ist der informal economy in den Entwicklungslaendern unentbehrlich, und bei uns auch!

Wie findet Ihr Euch mit diesem Paradoxon ab?
Thomas

its_uli - 7. Sep, 06:27

Wenn die Grenzen zu fließen beginnen

Das sind sehr spannende Themen hier! :) Danke für dieses neue "Hobby", Fritz! :)

Ich selbst erlebe es auch: Die Grenzen zwischen Erwerbsarbeit, Versorgungsarbeit, Vernetzungsarbeit, Persönlichkeitsentwicklungsarbeit :), ehrenamtlicher Betätigung, etc.etc. haben längst begonnen zu fließen, sie sind bereits zerronnen...

Mich beschäftigt die
*** Wertschätzung ***
der verschiedenen Arbeiten / Tätigkeiten / Lebensaufgaben. Wie also wird "spielen" oder "kochen" (siehe z.B. oben) honoriert? Wie wird die Wertschätzung ausgedrückt? Ist es die berühmte Dankbarkeit (der Kinder, der Angehörigen, des Vereins, etc.), die uns glücklich macht?

In diesem Zusammenhang bin ich mit dem Thema bedingungsloses Grundeinkommen in Berührung gekommen - und ich sehe darin ein wichtiges Element auf dem Weg zu
*** glücklich leben und arbeiten ***
speziell auf der gesellschaftlichen Ebene.

Ich wurde letztens um ein Statement zu Grundeinkommen gebeten, ich habe es damals so formuliert:

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Viele Menschen sind in ihrem Beruf nicht glücklich – möge es an den Rahmenbedingungen (z.B. mangelnde Vereinbarkeit mit Betreuungspflichten) oder an einer vergifteten Stimmung am Arbeitsplatz (z.B. Mobbing) liegen. Es gibt viele Gründe dafür.

Mit einem Grundeinkommen fällt der Abschied vom bisherigen Arbeitsplatz leicht, der Weg zu neuen Ufern ist frei. Jeder Mensch kann sich auf die Suche nach jener Tätigkeit machen, die sie oder ihn tatsächlich erfüllt, also nach jener Arbeit, die sie oder er "wirklich wirklich will" (Frithjof Bergmann). Die Menschen als Individuen haben dann die Möglichkeit, sich selbst und ihr Umfeld glücklich zu machen – und damit die Gesellschaft allgemein!

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hier der Beginn des Artikels

--> Ein garantiertes Grundeinkommen statt Erwerbsarbeit - von Karl Reitter

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Die Forderung nach dem garantierten Grundeinkommen ist einfach und unmissverständlich: Alle sollen bedingungslos - also unabhängig von Einkommen, Geschlecht, Staatsbürgerschaft und Alter - ein existenzsicherndes Einkommen erhalten.

Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen

Das bedingungslose Grundeinkommen anerkennt Arbeit jenseits der Erwerbs- und insbesondere der Lohnarbeit. Im Alltag wird immer deutlicher, dass Erwerbsarbeit nur einen Teil der gesellschaftlich geleisteten Arbeit darstellt. Während im Fordismus - jenem Gesellschaftsmodell, das bis in die 1980er Jahre hinein dominierte - die Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und so genannter Freizeit klar gezogen waren, verschwindet und verschwimmt diese Trennung seither zusehends.

Angesichts fragmentierter Lebensläufe, kurzfristiger Jobs, der Ausbreitung neuer, prekärer Arbeitsformen (Scheinselbstständigkeit, Leiharbeit usw.), die kaum eine gesicherte Existenz ermöglichen, wird sogar die strikte Unterscheidung zwischen Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit fragwürdig.

weiterlesen: --> http://science.orf.at/science/events/141180
(Da gibt's auch eine Konferenz zum Thema: 7. - 9. Oktober in Wien...)
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Ich habe eine Linksammlung zum Thema Grundeinkommen auf sanga.cc begonnen:

--> http://sanga.sossoon.net/blog/873/linksammlung_grundeinkommen.html

Ich wünsche diesem Blog weiterhin spannende Themen und ein willkommenes Echo! :)

abono - 7. Sep, 17:48

Weblog zu Mischarbeit

HIer gibt es ein Blog mit dem Titel "Mischarbeit", das thematisch mit diesem hier verbunden ist. Vielleicht könnt Ihr ja mal Links tauschen. ;-)

http://www.299direkt.de/mischarbeit/

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Das war 2007!
Groß waren die Vorsätze, aber die Zeit hat dann doch...
FritzHinterberger - 27. Dez, 22:49
dazu folgende links:
http://www.orf.at/ticker/2 39586.html http://science .orf.at/science/news/14660 8 sowie...
Straskraba - 31. Dez, 16:55

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