Durchhalten! ... um zu leben?

Wer regelmäßig oder auch nur zufällig einmal Ö3 hört – oder einen anderen „populären“ Sender, dem wird spätestens heute (Donnerstag) früh schon geholfen. Mit Durchhalteparolen. „Nur mehr 1 ½ Tage bis zum Wochenende.“ Das Leben beginnt nach der Arbeit. Arbeit ist Leid. Nur Freizeit ist Freude. Sei es der Feierabend, das Wochenende, der Urlaub, oder die Pension.

Eine eigenartige Philosophie, der offensichtlich die meisten Menschen huldigen – sonst würden die populären Sender sie ja nicht Woche für Woche zelebrieren. Denn. ohne Arbeit ist auch das Leben nichts. Wer arbeitslos ist, hat auch keine Freizeit.

Die scharfe Trennung zwischen „Arbeit“ und „Freizeit“ zeigt mir zweierlei: offenbar finden die meisten Menschen wenig Sinn und Freude in ihrem Job. Offenbar akzeptieren sie das aber, um sich’s am Feierabend, im Urlaub und in der Rente „richtig gut gehen“ zu lassen. Und: ganz offensichtlich ist die Erwerbsarbeit sehr ungleich zwischen den Menschen verteilt. Sonst würde ja jeder ungefähr 20 Stunden pro Woche in Fabrik, Geschäft oder Büro arbeiten und sonst anderen Dingen nachgehen: den Kindern, einer künstlerischen Aktivität, oder einfach der Muße.

Solche „Jobs“ gibt es aber viel zu wenig. Im Gegenteil: längere Arbeitszeiten werden von der Wirtschaft gefordert, nicht kürzere. In Wirklichkeit nimmt die Intensität der Jobs bis hin zu Überforderung und burn-out auch bei denen zu, die ihre Arbeit lieben, während andere nicht einmal die Chance auf einen regulären Job bekommen.
MarkHammer - 7. Sep, 10:54

Verteilung und Organisation von Arbeit, Zeit und Geld

Die spannenden Themen hier auf dieser Seite haben meiner Meinung nach auch sehr viel mit Verteilungsfragen zu tun. Es geht ja nicht nur darum, wie ein Mischarbeitsmodell und damit die persönliche Verteilung der Zeit für verschiedene Aktivitäten organisiert werden kann, sondern auch, wie man damit auskommt.

Wer seine Berufung gefunden hat und seinen Job gerne macht, hat das Glück, zwischen Arbeit und Freizeit nicht mehr trennen zu müssen. Unsere Gesellschaft schafft (und braucht?) aber viele Jobs mit denen man sich vielleicht nur schwer identifizieren kann. Wer würde z.B. schon gerne am Fließband stehen oder im Akkord T-Shirts nähen? Hier unterstützt unser Wirtschaftsmodell genau jene Logik der Trennung von Freizeit und Arbeit. Mitsamt seiner Tendenz immer weniger Menschen immer mehr Arbeiten zu lassen.

Bei den Löhnen, die meist bezahlt werden, bleibt oft nichts anderes über, als 40 oder mehr Stunden zu arbeiten (oder z.B. zwei "McJobs" gleichzeitig auszuführen) und dann in der Freizeit erschöpft der Erholung nachzugehen. Oder vor zu viel Erschöpfung nicht einmal mehr kreativen oder karitativen Aktivitäten nachzugehen und statt dessen sich vielleicht vom Fernseher berieseln zu lassen.

Ein Mischarbeitsmodell, in dem man sich neben der "normalen" Arbeit für die Gesellschaft oder kreativ engagieren kann, erfordert entsprechende finanzielle Absicherung - neben der nötigen Zeit.

Es ginge also nicht nur um eine neue Organisation der Arbeit mit der Möglichkeit nach entsprechenden 20 Stunden Jobs, es geht auch um Fragen der Grundsicherung und Verteilung der Einkommen. Habe ich einen Monatslohn von 800 Euro, kann ich es mir nicht leisten, 20 Stunden zu arbeiten. Habe ich einen Monatslohn von 5000 Euro, bin ich wahrscheinlich in einer Position, in der Teilzeitarbeit nicht in Frage kommt. Es bräuchte also neben der gerechteren Verteilung der Arbeit(szeit) auch eine gerechtere Verteilung der Einkommen.

Viele "Arbeiten", die man gerne macht und die wichtig für die Gesellschaft sind, werden oft auch finanziell nicht entsprechen anerkannt und können (oder müssen) derzeit nur unbezahlt geleistet werden - eben in der "Freizeit": Arbeiten für die Gemeinschaft, für andere, Kindererziehung, viele künstlerische Aktivitäten.

Letztendlich geht es um Jobs, die nicht "durchgehalten" werden müssen, sondern das Potenzial bieten, einen zu erfüllen und glücklich zu machen. Und vor allem um die Möglichkeiten, sich solch einen Zeitvertreib (wie auch immern man ihn dann nennt - Arbeit, Erwerbsarbeit, Freizeit, Muße) schaffen und ihm nachgehen zu können.

FritzHinterberger - 7. Sep, 19:58

Mc Jobs - für wen?

Kann (und sollte) nicht auch diese Arbeit Freude machen? Meine Vision: der Hamburger mit Liebe gemacht, die Frau an der Kassa als jemand, zu der man auch eine Beziehung hat, mit Zeit zum Plaudern wie früher beim Kreissler – oder auch jetzt noch in anderen Teilen der Welt. Denn erstens soll die Arbeit, die wir als Gesellschaft wichtig finden, eine gute Arbeit sein und zweitens gut bezahlt. Warum muss ein Job, der sich um unsere Ernährung kümmert, blöd sein,?

Und: warum bezahlen WIR (als Gesellschaft) ihn schlecht, nur um (als einzelne) das Packerl Milch oder das Fleischlaberl 10c billiger zu bekommen?

Tendenziell ist es doch eher so, dass (Mc)Jobs, die man ungern macht, schlecht bezahlt sind und dass die, die man gern macht, gut bezahlt sind. Ein Grundeinkommen - sagt man - würde dieses Verhältnis umdrehen: viel Geld für schlechte Jobs und wenig für gute, weil die Jobs, die wir brauchen (Pflege, z.B., oder "Fliessband") sonst nicht gemacht würden.
abono - 7. Sep, 17:52

Sehr schön beobachtet!

Bei mir sind es nur noch 10 Minuten bis zum GEFÜHLTEN Wochenende. Denn morgen ist Betriebsausflug! Wir fahren nach Berlin! Dafür stehe ich auch gerne mal vor sechs Uhr auf...

abono - 9. Sep, 19:34

Spaß bei der Arbeit...

...haben die blinden Kellner im Dunkelrestaurant in Berlin: http://www.unsicht-bar-berlin.de/

Dort hat uns unser Betriebsausflug nämlich hingeführt. Sehr empfehlenswerte Sache! Das Personal genießt "sichtlich" die Situation, dass sie mal die Sehenden durch die Gegend führen können und Ihnen die Teller wegzaubern können!
silmanja - 9. Sep, 23:49

Oh, ja Spaß an der Arbeit ist etwas wunderbares und ich habe auch immer wieder die Gelegenheit wirklich erfüllende Dinge zu tun - und dafür Geld zu bekommen. Viele andere Dinge, die ich gerne tue - bringen halt kein Geld.

In meinem Umfeld gibt es gleichzeitig immer weniger Leute, die scharf zwischen Arbeit und Freizeit trennen können - vor allem weil ein Gehirn eben oft nicht auf Knopfdruck ein- und ausgeschaltet werden kann. Ein Freund von mir hat einmal gesagt, eigentlich müsste ihn seine Firma für das Spazierengehen bezahlen - weil da kommen ihm immer die relevanten Ideen. Mehr gehts ähnlich beim gehen - manchmal auch beim Schlafen...

Mir ist mittlerweile wichtig - von der Erwerbsarbeit so richtig abschalten zu können - wo es im Endeffekt immer nur darum geht, ob uns ein Projekt finanziert oder nicht - auch wenn ich im Non Profit Bereich arbeite - Geldgeber brauchen wir trotzdem... und dann das zu tun, was ich tun will...

Straskraba - 10. Sep, 15:58

Es geht um viel, viel mehr ...

nämlich um ganz existenzielle Fragen von Werten, Normen, Belohungen, Sanktionen, usw. - also um nichts weniger als um KULTUR.

Nur wenn wir uns damit auseinandersetzen, warum, wozu, was, wie, wo und wann wir "arbeiten", kann sich auch etwas in der Motivation der Leute ändern.

Wenn wir alles nur auf die lange Bank schieben und so tun als ob eh alles "super" wäre, dann wird sich gar nichts ändern.

Daher: es muss ein offener Dialog über unsere Gesellschaft geführt werden, der 1. GEWOLLT und 2. UMSETZUNGSORIENTIERT ist.

GlücksBringer - 10. Sep, 16:24

Es gibt noch eine Menge aufzuklären

Wir sehen an solchen Rundfunkmeldungen wieviel Aufklärungsarbiet noch zu leisten ist. Die allermeisten Menschen laufen eben mit völlig falschen Glücksvorstellungen durchs Leben.

Die Durchhalteparolen zeigen aber auch noch ein anderes Bild: Die Arbeitsbedingungen in vielen Unternehmen sind alles andere als glücklich machend. Höchste Zeit für den Glücksbeauftragten (siehe auch: http://blog.gluecksnetz.de/2006/07/23/gluckliche-unternehmen/).

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Groß waren die Vorsätze, aber die Zeit hat dann doch...
FritzHinterberger - 27. Dez, 22:49
dazu folgende links:
http://www.orf.at/ticker/2 39586.html http://science .orf.at/science/news/14660 8 sowie...
Straskraba - 31. Dez, 16:55

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