Weniger konsumieren - nur etwas für Reiche?

Eine gängige Entgegnung auf die Forderung, weniger zu konsumieren, um
(a) besser zu leben (indem man für weniger Einkommen weniger erwerbs-arbeitet)
und damit
(b) die globale Umwelt zu schützen (indem man weniger Ressourcen verbraucht)
lautet:

das geht vielleicht für "Reiche", die schon alles haben. Was aber ist mit denen, die mehr als einen Job brauchen, um überhaupt ein einigermassen lebenswertes Leben zu haben.

Was antworten wir darauf? Ich habe es gestern, in meinem Beitrag zu Herbert Rauch's SUSFOR-Konferenz so versucht:

Viele von "uns" (ich meine damit Bewohner des "globalen Nordens" , also z.B. eine durchschnittliche Österreicherin), viele von uns also - selbst wenn sie ein relativ geringes Erwerbseinkommen haben - "schwimmen" nicht nur im Überfluss. Sie sind dabei, unter zu gehen.

Siehe T.Küstenmachers Aussagen zu den 10.000 Dingen (http://fritzhinterberger.twoday.net/stories/2584888/), die ein durchschnitlicher Haushalt in unseren Breiten besitzt und die immer mehr Menschen schlicht überfordern. Und als Ertrinkende versuchen wir nicht, der Flut zu entkommen sondern suchen wir unser Heil in immer neuen Dingen (und der Notwendigkeit, dafür immer mehr zu "arbeiten"). "Konsumsucht" ist ein Wort, das ich seit einiger Zeit immer öfter lese.

Eine Strategie, immer mehr "Dinge" zu bekommen, wenn sich das Einkommen nicht erhöht, ist "Geiz" (der angeblich geil sein soll) - also dafür zu sorgen, dass andere für ihre Arbeit noch weniger bekommen. Das ist UN-Fair!

"UN-Fair trade" beginnt bei der Schnäppchenjagt im Supermarkt (und seinen Auswirkungen auf die Einkommen der dort Beschäftigten, der Bauern und Produzenten) und endet beim 5-Euro T-Shirt, das unser Real-Einkommen erhöht auf Kosten derer, die dieses unter miesen Bedingungen und niedrigstem Einkommen produziert haben.

Und: warum bezahlen wir gerade die Arbeiten am schlechtesten, die keiner ohne dafür bezahlt zu werden machen würde, während gute Jobs, wie z.B. meiner, relativ gut bezahlt sind?

Schliesslich: kann (und sollte) nicht auch diese Arbeit Freude machen?
Meine Vision dazu: der Hamburger mit Liebe gemacht, die Frau an der Kassa als jemand, zu der man auch eine Beziehung hat, mit Zeit zum Plaudern wie früher beim Kreissler – oder auch jetzt noch in anderen Teilen der Welt. Denn erstens soll die Arbeit, die wir als Gesellschaft wichtig finden, eine gute Arbeit sein und zweitens gut bezahlt. Warum muss ein Job, der sich um unsere Ernährung kümmert, blöd sein, und warum bezahlen wir ihn schlecht, nur um das Packerl Milch oder das Fleischlaberl 10c billiger zu haben?

Schon wieder mehr Fragen als Antworten.
Eine Antwort aber ist: wir brauchen eine gesellschaftliche Umverteilung.

Immerhin: wenn heute wenigstens die, die ein relativ hohes Einkommen haben, weniger erwerbs-arbeiten und konsumieren würden, würde dies zu einer relativen Annäherung der Einkommensklassen führen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung.
abono - 1. Okt, 11:37

Weniger Geld, weniger nachhaltiger Konsum?

Ich weiß: Normale Lebensmittel sind zu bilig und nicht Biolebensmittel zu teuer. Fliegen ist zu billig und nicht Bahnfahren zu teuer. Dennoch stellt das real vorfindbare Preisgefüge die Konsumenten immer wieder vor die Wahl, billig einzukaufen (und gesamtgeselschaftlich Schaden anzurichten) oder (sehr wohl spürbar) teurer einzukaufen und einen halbwegs wahren Preis zu zahlen.

Nun frage ich mich was passiert, wenn die Konsumenten weniger Geld haben, weil sie weniger arbeiten. Steigt da nicht der Druck, billig einzukaufen? Versuchen nicht die Menschen mit weniger Einkommen prozentual ungefähr genauso viel (und damit absolut weniger) beispielsweise für Lebensmittel auszugeben, wie der Durchschnittsverdiener?

Klar: Wenn man wenig verdient, dann kann man dennoch Bio kaufen, aber eben nur, wenn man bereit ist, einen Einkommensanteil für Lebensmittels auszugeben, wie er in den 50er Jahren üblich war. Aber wer ist das schon? Der Drittfernseher und der Zweitwagen müssen ja auch finanziert werden!

Die Denke, dass weniger Konsum auch mal mehr sein kann und materieller Konsum häufig vor dem Kauf am schönsten ist, muss man erst noch in die Köpfe bekommen. Das wird ein langer Weg! Immerhin lese ich hier überzeugende Argumente!

FritzHinterberger - 1. Okt, 12:29

Wie immer:

alles hängt mit allem zusammen. Trotzdem muss man irgendwo anfangen. Am besten, überall gleichzeitig:
- am Preissystem UND bei der Nachfrage
- als Einzelner UND die Rahmenbedingungen
- Verteilung UND Allokation
- Finanz-/Entlohnungssystem UND reale Wirtschaft
- Grundeinkommen UND Arbeitsverträge
....

Dann ändert sich das Ganze - langsam, aber sicher!
abono - 1. Okt, 12:28

Neidgesellschaft oder nachhaltige Gesellschaft?

Auch nach Jahren bin ich noch etwas verwundert über das Ergebnis eines kleinen Experimentes, das ich im Rahmen eines Mikroökonomik-Tutoriums durchgeführt habe. Ich habe zwei Gesellschaften konstruiert (bzw. hatte das irgendwo gefunden): Jeweils sollte es zwei gesellschaftliche Gruppen, geben, nämlich die Armen und die Reichen.

Die Armen in der ersten Gesellschaft können gerade so von ihrem Einkommen leben, die Reichen sind sorgenfrei, aber können ebenfalls keine "großen Sprünge" machen. Die Ungleichheit ist also gering.

In der zweiten Gesellschaft sind die Armen ungefähr so gestellt, wie die Reichen in der ersten Gesellschaft, die Reichen sind jedoch extrem reich und können sich quasi alles leisten.

Die Studenten sollten sich dann für eine von beiden Gesellschaften entscheiden, und zwar unter der Voraussetzung, dass sie jeweils zu den Armen gehören. Das für mich überraschende Ergebnis: Die meisten haben sich für Gesellschaft eins entschieden, haben also ein geringe Ungleichheit einem höheren Einkommensniveau vorgezogen.

Im Kontext dieses Weblogs kann man es positiv sehen: Zumindest meine Studenten sind bereit auf Einkommen zu verzichten, wenn die Ungleichheit dafür abnimmt. Mein Eindruck war allerdings eher, dass es sich um eine Neiddebatte handelt: Ich kann meinen bescheidenen Wohlstand gar nicht genießen, wenn andere extrem reich sind!

Ich glaube der Neid ist ein Kernproblem auf dem Weg zur glücklichen Gesellschaft im Sinne des Weblogs: Durch das ständige Schielen auf den materiellen Wohlstand der zahlreichen Reichen und Schönen fällt es dem Durchschnittsbürger schwer, sich auf die wahren Dinge des Lebens zu konzentrieren.

FritzHinterberger - 1. Okt, 12:41

Neid/ungleiche Verteilung macht unglücklich

sagt Richard Layard in seinem Buch Die glückliche Gesellschaft (Campus Verlag; 1. Auflage: März 2005). Das Schielen auf die anderen (Positionsgüter!) bringt uns dem Glück aber nicht näher, wenn die andern das auch tun. Eine gesellschftliche Umverteilung aber schon.

Wie sagt dazu ein schöner Spruch:
Mit Geld, das man nicht hat, Dinge kaufen, die man nicht braucht, um Leute zu beeindrucken, die man nicht mag.

Geld bekommen Leute wie Du und ich via Arbeit. Und Arbeit ist Zeit und nur Zeit ist wirklich knapp. Siehe dazu meinen heutigen post unter http://fritzhinterberger.twoday.net/stories/2743727/

Nur neues, sagt Wolfgang Horbach mit Verweis auf ein neues Buch , macht Glücklich (http://blog.gluecksnetz.de/2006/09/20/neues-macht-glucklich/).

Das können aber auch neue Erkenntnisse sein, oder neue Freunde.
Also dann: auf ein Neues!
abono - 3. Okt, 14:09

Zum Thema: Wir drohen im Überfluss unter zu gehen

Am Freitag in der Financial Times Deutschland: Der Handelskonzern Tchibo hat Probleme. Die Gewinne aus dem Verkauf von wöchentlich wechselnden Billigartikeln (aus entsprechend unnachhaltiger Produktion) gehen zurück. Man hat einiges an Restposten engehäuft. Grund ist, dass die normalen Discounter auch immer mehr non-food-Billigartikel anbieten. Insgesamt habe die Branche ein Problem mit der Schwemme von unverkauften Waren.
Nun will man bei Tchibo etwas tun, nämlich die Restposten massiv abbauen. Zum Beispiel durch Verschrottung.
Ohne Worte.

FritzHinterberger - 12. Okt, 06:51

Diskonter: Billig, aber auf Kosten der MitarbeiterInnen

Meint auch der ORF: Ausgehöhlte Arbeitnehmerrechte
Nur eine Verkäuferin pro Filiale, die nicht einmal die Möglichkeit hat, aufs WC zu gehen, unbezahlte Überstunden, Schikanen gegen Mitarbeiter, die sich gewerkschaftlich organisieren wollen: Wieder einmal steht ein Diskonter in der Kritik der Gewerkschaften. Diesmal ist es die Kette KiK. Ein Mitarbeiter, der einen Betriebsrat gründen wollte, wurde bei der Tengelmann-Textiltochter einfach strafversetzt.

Lesen Sie mehr...
http://www.orf.at/061011-4817/index.html

abono - 16. Nov, 22:38

Sweat Shop Arbeit in den Schredder

Noch einmal zum Thema "wir gehen in den 10.000 Dingen unter". Diese Woche hat man in Hamburg 1.000.000 Paar Turnschuhe als Plagiate enttarnt. Drei Firmen sind jetzt damit beschäftigt, die nagelneuen Schuhe zu Schreddern! Sie werden noch Tage beschäftigt sein. Teile des resultierenden Materials wird zu Sportplatzböden, der Rest wird verbrannt. Und dafür haben sich chinesische Arbeiter krum gemacht? Dafür wurden Unmengen an Ressourcen verwendet? Und unsereins kauft sich hochwertige, reparable Schuhe und zieht sie nur jeden zweiten Tag an, damit sie länger halten....

http://news.orf.at/061114-5965/

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Markus Thies - 23. Mai, 17:44
SERIbloggt ist online!
http://www.esgehtumwas.at/
FritzHinterberger - 1. Mär, 15:15
Das war 2007!
Groß waren die Vorsätze, aber die Zeit hat dann doch...
FritzHinterberger - 27. Dez, 22:49
dazu folgende links:
http://www.orf.at/ticker/2 39586.html http://science .orf.at/science/news/14660 8 sowie...
Straskraba - 31. Dez, 16:55

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